Die Tourdaten findest Du hier.
Die Anreise
Unser diesjähriges Transalp Abenteuer hat begonnen!
Wir sind heute nach einer sechsstündigen Fahrt von Frankfurt aus im Schweizer Wallis (Martigny) angekommen. 25 Grad, leichte Brise und vier Kollegen, die sich auf die sechstägige Transalp-Tour mit dem Mountainbike nach Locarno im italienischen Teil der Schweiz freuen. 12.500 Höhenmeter liegen vor uns, und wir werden in den nächsten Tagen viermal knapp die 3000-Meter-Grenze erreichen und spektakuläre Abfahrten genießen können.
Das Schweizer Essen mit leicht angebratenem Thunfisch ist fantastisch, der Service im Boutique-Hotel Martigny großartig. Nach einem letzten Check der Räder holen wir uns Schweizer Franken am Geldautomaten und gehen dann erwartungsvoll in unsere Zimmer mit der Vorahnung, dass wir in dieser ersten Nacht wohl alle kaum schlafen werden… Wie jedes Jahr in der ersten Nacht.
Tag 1 – Fahrt nach Villy (2.600 hm)
Nach einem reichhaltigen Frühstück brechen wir auf. Der Rucksack ist gepackt, die Räder sind bereit und das Wetter beschert uns einen perfekten Start. Vor uns liegen 2600 Höhenmeter.
Der erste Teil der Tour führt uns über Asphaltstraßen durch Ortschaften wie Le Martinet und andere Skigebiete. Die Höhenmeter gehen uns leicht von der Hand, und in einem kleinen Örtchen, Sarreyer, kehren wir kurzerhand gegen die Mittagszeit ein, denn ab hier werden wir keine Einkehrmöglichkeiten mehr erwarten können. Brot, Speck, Schinken und Käse müssen reichen.
Nach weiteren vier Stunden erreichen wir Col des Mines, was heute unser vorläufiger Höhepunkt ist, ab da folgen wir technisch recht anspruchsvolle Flowtrails bis zu unserem Hotel in La Tzoumaz auf 1500 Meter im Ort Villy. Die irischen Enduro-Fahrer vor uns machen uns etwas nervös, aber was soll’s?! Ab geht die Post!
Niedlich ist das Hotel an dem wir um 16.30 Uhr ankommen. Klein, sauber und in freundlichen Händen. Nach einem kühlen Bier auf der Terrasse parken wir die Räder für die Nacht und duschen uns. Die Höhenmeter stecken uns schon ein wenig in den Knochen.
Lektion für heute: Man braucht nicht viel, um glücklich zu sein.
Tag 2 – Fahrt zum großen Staudamm, Grande Dixence (2.100 hm, üble Kälte)
Das Frühstück fällt heute französisch karg aus, ein paar Weißbrötchen, ein Croissant und Marmelade. Wir sind eben im Kanton Valais (Wallis), und ein Frühstück ist in der Tat ein Petit Déjeuner, nicht mehr und nicht weniger.
Draußen ist es über Nacht auf elf Grad abgekühlt, und der Pass, den wir gestern noch überquert haben, ist verschneit. Neuschnee erleben wir im Juli auch zum ersten Mal auf einer Transalp Tour. Also ziehen wir uns warm an und machen uns schnell auf den Weg.
Heute erwarten wir nicht viel vom Tag, denn spektakuläre Abfahrten wird es nicht geben. Dafür viel Asphalt und eine Baracke von einem Hotel am Ende des Tages. So unsere Erwartung.
Als wir uns gegen Nachmittag dem Ziel unserer heutigen Tour nähern, sind wir begeistert: Die Baracke am Fuße des fünfthöchsten Staudamms der Welt, des Grande Dixence, stellt sich als Hotel mit Blick auf das gesamte Tal, Val d’Hérémence, heraus. Das Personal ist sehr zuvorkommend und der Marillenkuchen der Hammer. Schade nur, dass ich versehentlich ein Zimmer mit Blick auf die Staudammmauer gebucht habe… Zur Freude aller.
Unsere heutige Erkenntnis: Erwarte nie zu wenig von der Welt, und lass dich überraschen. Und denke daran, dass sich Wartung am Fahrrad langfristig auszahlt (Totalausfall des Dämpfers).
Tag 3 – Die wahre Hölle ( (2.700 Höhenmeter, $&#@?!)
Okay, es muss an dieser Stelle noch einmal wiederholt werden: $&#@?!. WTF. Geht’s noch?! Verdammte Hose!
Die ersten Höhenmeter nach unserer Abfahrt von Grande Dixence verlaufen gut, ein Kettenriss, verursacht durch mangelnde Wartung, stiehlt uns 30 Minuten unserer Zeit, doch wir bleiben entspannt und guter Laune. Alles scheint wie geplant zu laufen. Doch dann kommt es anders, ganz anders.
Schiebe- und Tragestrecken sind uns nicht neu, auch über mehrere Stunden hinweg. Aber die Räder auf dem Rucksack fast senkrecht auf den Grat, Col de Riedmatten, zu schleppen, grenzt an Wahnsinn. Ist es dann auch! Uns überholende oder entgegenkommende Wanderer schütteln nur ungläubig den Kopf. „Uns würde das mit den Rädern keinen Spaß machen!“ Danke, uns auch nicht. Aber Jammern hilft auch nicht.
Die Sicht von knapp 3000 Meter ist grandios. Genießen können wir diese kaum, denn körperlich sind wir nach nur 1000 Höhenmeter deutlich angeschlagen. Und das ist eigentlich erst der Anfang der heutigen Tour. Nachdem wir uns alle Schoner übergestülpt haben, machen wir uns weiter bergab auf den Weg. Die Fahrt führt uns durch eine Kraterlandschaft und fahrtechnisch anspruchsvolle Wege. Wir werden etwas entschädigt.
Da der geplante zweite Gipfel mit 3000 Meter Höhe heute keine Option mehr ist, planen wir um und quälen uns über weitere 1700 Höhenmeter zum Zielort, Grimentz. Alle sind nervlich und körperlich am Ende, aber dieser Ort, Grimentz, ist ein weiteres Highlight auf unserer Tour. Hierher werden wir bestimmt einmal unter anderen Bedingungen zurückkommen und die Holzarchitektur des Dörfchens bestaunen (siehe Bilder). Aber für heute reicht es, es reicht, keine Lust mehr, nur ins Bett.
Lektion des heutigen Tages: Erwarte das Unerwartete! $&#@?! Noch Fragen?
Tag 4 – Mit Sicht auf das Matterhorn (2.300 Höhenmeter)
Das Aufstehen fällt uns heute sichtlich schwer. Die Beine sind schwer, der Rücken schmerzt, und die Psyche ist nach dem gestrigen Tag angeschlagen. Trotzdem sehen wir dem Tag nach einem ausgiebigen Frühstück positiv entgegen und freuen uns auf das, was heute vor uns liegt: moderate 2300 Höhenmeter, eine tolle Landschaft mit Sicht auf das Matterhorn und eine rasante Abfahrt.
Wir starten von Grimentz aus in Richtung Forclettaz, dem höchsten Punkt am heutigen Tag mit 2800 Metern. Wir quälen uns vorbei an Kühen, Hunden und Wanderern, denen gegenüber wir noch einen kleinen Geschwindigkeitsvorteil haben.
Bis wir an einer kleinen Alm ankommen und wieder einer der verhassten Tragestellen vor uns liegt. Nun gehen die letzten 300 Höhenmeter über den Pass. Doch das Wetter stimmt, und die Stimmung ist gut. Die schneebedeckten Berge lachen uns an. Die ein oder andere Wolke macht mir etwas Sorgen, doch diese sind (im Nachhinein) unberechtigt.
Die Abfahrt Richtung Turtmann ist sensationell und entschädigt wieder einmal für die Stunden der Quälerei. Technisch anspruchsvoll sind die Pfade, die Landschaft ist wie von einer anderen Welt. Unsere Beine und Arme brennen vor Anstrengung, doch die Belohnung naht, als wir zum Mittagessen einkehren und uns frische Forellen aufgetischt werden. Was kann schöner sein?!
Wir fahren weitere lange Minuten mit fast 60 kmh auf Asphaltstraßen den Berg hinunter. Unten angekommen (Turtmann) meldet sich der Fahrer des nicht gewarteten MTB mit den Worten, er habe einen weiteren Schaden zu melden. Lange Gesichter, eine Meuterei steht bevor. Kurzerhand suchen wir eine Werkstatt entlang unserer Route im Örtchen Visp, die Ulr. (Name von der Redaktion geändert) mit dem Zug und wir mit den Rädern erreichen. Ein kurzes Gespräch im Ladengeschäft, und der Schaden ist behoben. Für alle Interessierten: Es handelt sich um den Verlust eines Schaltungsröllchens. Sehr selten!
Den Ort Visperterminen erreichen wir zwei Stunden später nach weiteren 800 Höhenmetern, den Blick immer wieder auf das Matterhorn gerichtet, auch wenn das nicht allen Fahrern sofort auffällt. Mir übrigens auch nicht.
Das Hotel in Visperterminen ist so gut, wie der Ortsname auszusprechen ist. Aber gebucht ist gebucht, Bier aus der Flasche schmeckt überall gleich. Daher: Prost, gut war’s!
Erkenntniss des Tages: Manchmal nimmt man das Offensichtliche nicht war, selbst wenn es direkt vor deinen Augen ist (Matterhorn).
Tag 5 – Alexander, R.I.P (1.700 Höhenmeter)
Alex, requiescat in pace! Erhole dich gut von deiner Erkältung, die dich heute dazu gezwungen hat, die Tour nach Fahrtag 4 abzubrechen. Schön war’s mit dir! Die Trauer um deine Gesellschaft hält an. Hoffentlich nächstes Jahr wieder!
Wir kehren dem miserablen Hotel in Visperterminen den Rücken und verabschieden uns von Alex (Name geändert), der mit einer fiesen Erkältung kämpft und sich gegen eine Weiterfahrt entscheiden muss. Ziel der heutigen Etappe ist Simplon, ein kleines Dorf an der Grenze zu Italien.
Der Anstieg zum Pass, Nanzlicke, auf 2600 Metern Höhe fällt uns leicht, obwohl wir doch wieder zwei Stunden mit dem Schieben der Räder beschäftigt sind. Doch es fühlt sich an wie eine Wandertour durch die Berge, und die Landschaft entschädigt. Die Vegetation in diesem Teil der Walliser Alpen ist spärlich, und Blümchen, Mose und kleine Farne dominieren das Landschaftsbild, was den Anblick einzigartig macht. Hier möchte man nicht vom Weg abkommen und eine Narbe ins jungfräuliche Erdreich reißen.
Der Pass bietet einen großartigen Ausblick und gibt fahrbare Wege vom Feinsten (da ist wieder dieses Wort der Superlative) preis. Die beste Abfahrtsstrecke dieser Tour liegt vor uns. Fast 800 Höhenmeter Pfad und technische Trails, dann ein sanftes Ausrollen auf Asphaltstraßen zu unserem Hotel in Simplon.
Ein Fahrfehler zwingt mich zum kurzen Zwischenstopp, da mein Reifen ein unüberhörbares Pfeiffgeräusch von sich gibt. Der Schlauch ist schnell gewechselt, doch die zwei vorhandenen Luftpumpen quittieren zeitgleich ihren Dienst. Glücklicherweise finde ich zwei CO2 Kartuschen im Rucksack, mit denen ich den Reifen in Sekundenschnelle aufpumpe. Wieder einmal Glück gehabt.
Was kann ich sagen zum heutigen Tag? Geil, einfach geil. Unerwartet geil.
Motto des Tages: Man muss seine Grenzen kennen und danach handeln. R.I.P.
Tag 6 – Die Zielgerade (800 Höhenmeter)
Pünktlich verlässt der Zug das Gleis, gleich liegt unser Zielort, Lucarno, hinter uns. Erschöpft fallen wir in die Sitze, die Räder stehen abwartend hinter uns, doch die Pause gönnen wir ihnen.
Der Tag war kurz, denn die Fahrt von Simplon nach Martigny verlief unspektakulär, ein paar Höhenmeter noch, 75 km Strecke und ein Überschreiten der Grenze nach Italien und wieder zurück in die Schweiz.
Der Kontrast zwischen Italien und der Schweiz könnte offensichtlicher nicht sein: Italiens Straßen wirken wie Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg, viele Gebäude am Straßenrand sind verlassen oder aber den Naturgewalten überlassen, auch die Straßenbegrenzungen haben bessere Tage gesehen. Das ändert sich schlagartig, als wir wieder die Schweizer Seite erreichen.
In Lucarno angekommen, gönnen wir uns ein ausgiebiges Bad im Lago Maggiore, das haben wir uns nach 12000 Höhenmeter wirklich verdient. Einen schönen Anblick biete ich nicht mit meinen braunen Armen und dem weißen Oberkörper, auf dem sich, bedingt durch meinen Rucksack, ein roter Ausschlag gebildet hat. Aber heute ist mir alles egal, ich springe mit der verbleibenden Mannschaft ins nasse Kalt und entspanne meine Körper. Vorbei. Vorbei? Nein, denn nach der Alpentour ist vor den Alpentour, das nächste Jahr kommt bestimmt. Und ob!
Ein letzter Gedanke, und dann ist Schluss:
Wenn ich an die Alpen denke,
schmerzen mir die Kniegelenke.
Bin ich dann mal nicht mehr da,
sehn‘ ich mich das ganze Jahr,
und freue mich in stiller Stunde
auf die nächste Alpenrunde.