Die Tourdaten findest du hier.
Tag 1 – Zermatt, Oberrothorn, 1.900 hm, toller Einstieg
Nach der gestrigen Ankunft im autofreien Zermatt beginnen wir unseren ersten Fahrtag um 8 Uhr und arbeiten uns gut gelaunt steile, aber (noch) fahrbare Hänge hoch in Richtung Oberrothorn.
Je weiter wir uns dem heutigen Ziel nähern, desto steiler werden die Schotterpisten, und wie so oft auf unseren Touren müssen wir unsere Räder schieben oder auf dem Rücken tragen.
Warum machen wir das? Könnte man sich fragen. Aber in gewissem Maße sind wir doch Puristen und fahren nur das herunter, was wir uns vorher erkämpft haben. Warum? Dafür hat jeder seine eigenen Gründe. Warum ich das tue? Weil ich es (noch) kann. Das Alter nagt, aber ich bleibe trotzig. Stur, ja, doch so fühle ich mich am besten. Ich glaube, das geht uns allen so.
Das eigentliche Ziel, das Oberrothorn, lassen wir aus, denn 300 hm zusätzliches Tragen kommt uns heute nicht in den Sinn. Dafür lockt eine Hütte auf 3100 Meter Höhe, die erbärmliche Panini zu unverschämten Preisen anbietet, die nur hungrige Biker in Betracht ziehen können.
Die Abfahrt? Seht selbst, einfach grandios. Das Matterhorn stets im Blick schwingen wir uns über flowige, teils technische Trails ins Tal. Die Belohnung, endlich. Und schon tun die alten Knochen wieder ein bisschen weniger weh…
Tag 2 – Zermatt, Gornergrat, 1.540 hm, entspannter Tag mit sensationeller Abfahrt
Der Gornergrat sucht seinesgleichen. Die Auffahrt ist entspannt, die Tragestellen erträglich, und in nur 1500 Höhenmetern erreichen wir den Grat. Doch die Abfahrt, die Abfahrt, ja, sie ist besonders.
Als die Abfahrt vor uns liegt, dem Helge der Verstand versiegt. Wohl wissend, dass uns die nun folgende Strecke direkt am vielleicht schönsten und einprägsamsten Punkt der Schweizer Alpen, dem Riffelsee, vorbeiführt, setzt das Abfahrtsfieber ein, das mein Gehirn auf die Größe einer Erbse zusammenschrumpfen lässt.
Der Instinkt setzt ein, ich fahre los, vergesse meinen Rucksack am Abfahrtsort und nehme zu meinem Unglück eine falsche Abzweigung, die Andreas und mir diesen epischen Moment entreißen wird, auf den wir so lange gewartet haben.
Der Riffelsee bleibt für uns beide ein Traum, der uns vielleicht wieder einmal in diese Gegend führen wird. Aber er bleibt ein Traum… Wir verpassen ihn.
Als wir mit dem Rest der Gruppe aufschließen, folgen Pfade der Spitzenklasse, schnell, teils technisch, wenig ausgesetzt. Die Arme brennen noch, als wir im Tal kurz vor dem Ort Zermatt ankommen. Der Tag hat sich gelohnt, und Helge ist auf den Geschmack gekommen, auch mal ohne Gepäck abzufahren. Denn meinen Rucksack hat netterweise Uli mitgeschleppt. Fahren ohne Rucksack auf dem Rücken ist großartig, Fahren mit zweien ziemlich Sch…
P. S.: Wer sich nun fragt, woher das Bild vom Riffelsee und dem Matterhorn stammt, dem sei gesagt: nicht von mir. Over and out.
Tag 3 – Varen/Wallis, Meidpass, 2.600 hm, krasse Abfahrten
Mal wieder eine Erkenntnis, die nicht neu ist, die es aber in sich hat: Plane die Fahrt, fahre nach Plan. Abweichungen können zum Ziel führen, aber der Weg dorthin ist in unserem Fall natürlich viel wichtiger.
Der Weg auf den Meidpass ist steil, aber bis 500 hm vor dem 2.770 Meter hohen Gipfel gut fahrbar. Zu Beginn sind die Straßen noch asphaltiert, später begleitet uns Schotter für gute zwei Stunden, bevor der letzte Abschnitt vor uns liegt.
Wasser ist etwas Mangelware an diesem Tag, Hütten finden sich ebenfalls keine. Entsprechend zäh gestaltet sich der letzte Anstieg über 90 Minuten zum Meidpass, der sich als echter Augenschmaus herausstellt. Der gezackte Grat am Horizont, die felsige Landschaft, die mit grünen Flechten überzogen ist, und letztendlich der Meidsee bescheren uns eindrückliche Momente, die den Qualen trotzen und uns in Erinnerung bleiben werden.
Die Abfahrt ist wieder einmal grandios und recht technisch. Abweichungen vom Plan werden bestraft mit Weiden, auf denen aufgeregte Kühe grasen. Ein „Keine Angst, die sind nur neugierig…“ beruhigt hier keinen, zumindest mich nicht, und wir sind froh, als wir diesen Abschnitt hinter uns lassen können.
Der beste Teil der Abfahrt kommt zu einem Zeitpunkt, an dem wir ihn am wenigsten erwarten. Ich will erst vom Plan abweichen und die Straße ins Tal wählen, weil es spät ist. Doch der Rest der Gruppe insistiert, und es folgt eine Abfahrtsjagd über Wurzeln, Geröll und Waldboden, was in dieser Qualität nur selten zu finden ist.
Heute kommen wir etwas spät am Ausgangsort an, aber ich glaube, dass alle etwas von diesem Tag mitnehmen können. Und sei es nur die Erkenntnis, dass Pläne ihren Sinn haben… und manchmal eben auch nicht. Und Uli, du bist ungeschlagener Pannenkönig!
Tag 4 – Sierre/Wallis, 2.365 hm, Brazilian, längste Abfahrt bislang
Heute ist unser Entspannungstag, 2.100 hm sind geplant, doch ich nehme als einziger versehentlich eine andere Abzweigung und muss extra Höhenmeter in Kauf nehmen. Das ist nicht schlimm, denn ich liege streckentechnisch zwischen der ersten und zweiten Gruppe und kann auf 2330 Meter Höhe gemütlich einen Kuchen und Suessmoscht zu mir nehmen und Pause machen.
Der Anstieg ist insgesamt konditionell moderat, dafür landschaftlich beeindruckend wie immer hier im Schweizer Wallis. Wir verlassen auf der Höhe von 2200 Metern die fahrbare Strecke und tragen die Räder die letzten 300 Höhenmeter, während wir das Vallon de Rechy hinter uns lassen.
Die Strecke, für die wir uns heute entschieden haben, wird in der Biker-Welt „Brazilian“ genannt. Warum? Das können wir nur erahnen. Aber über eine Strecke von 15 km erstreckt sich eine Abfahrt, die es in sich hat und allen Teilnehmern ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Trails im Schwierigkeitsgrad S1 mit zum Teil deutlichen S2-Allüren. Alles sehr flüssig fahrbar mit schnellen Passagen und steilen Kurven, und das alles gibt es fast ohne Unterbrechung durch erneute Anstiege.
Der Brazilian ist zu recht einer der aufregendsten Trails in den Walliser Alpen. Ein Abfahrtsspektakel, das man selten in dieser Ausführlichkeit erleben darf.
Technisches: Hatte heute tatsächlich meinen ersten Platten mit einem Tubeless Reifen. Die Flickzeit alleine ist schon Werbung genug für alle Umrüstwilligen: keine 5 Minuten, davon 3 Minuten Pumpen…
Tag 5 – Sierre/Wallis, Plaine Morte, 2.900 hm, kein Erholungstag
Das Frühstück liegt uns noch im Magen, und schon beginnt der steile und lange Anstieg zum Plaine Morte Gletscher auf über 2.800 Metern.
Zu Beginn rollen wir noch über Asphalt, doch schon bald türmen sich lange Schotterpisten vor uns auf, die nur teilweise gefahren werden, wenn man sich zum Ziel gesetzt hat, das Plaine Morte zu erklimmen und 30 km Abfahrtsfeuerwerk hinter sich zu bringen.
Die letzten 700 Höhenmeter teilen sich wieder einmal in Schiebe- und sonst so zermürbende Tragepassagen auf. Erstaunlicherweise geht uns das Tragen heute leicht von der Hand, so dass wir mit Reserven am Plaine Morte Gletscher ankommen und den Moment des Ausblicks auf das gewaltige Naturphänomen in uns aufnehmen können. Vergleichbares haben wir selten gesehen.
Vorbei am Wisshore-Gipfel beginnt die Abfahrt an der Wildstrubelhütte des Schweizer Alpenclubs. Die teils sehr technischen und abschüssigen S3-Trails bewältigen wir dank viel Federweg und einer gehörigen Portion Wagemut. Aber die Strecke ist fahrbar und mündet in einem langen Pfad in den Schwierigkeitsgraden S1 und S2, um dann wieder in S3-Passagen überzugehen, die uns die Herzen höher schlagen lassen.
Mut braucht man auf der 30 km langen Abfahrt, die zu einer der längsten der Schweizer Alpen gehört. Zum Teil sind die Pfade empfindlich ausgesetzt, so dass selbst erfahrenen Fahrern eine gehörige Portion Adrenalin durch den Körper schießt.
Die lange Zeit der Konzentration geht nicht spurlos an uns vorüber, so dass es schlussendlich zu einem ernsteren Sturz den Abhang hinunter kommt, der aber gut ausgeht. Glück gehabt, an einer anderen Stelle hätte das ein böses (keine Anspielung an den Namen des Kandidaten) Erwachen geben können.
Nach 2.900 Höhenmeter fühlen wir uns vor allem mental erschöpft, aber euphorisch. So eine Abfahrt hat man wirklich nicht alle Tage. Und Pannen hatten wir heute keine!
Tag 6 – Sierre/Wallis, 1.700 hm, eigentlich angenehm
Der letzte Tag ist angebrochen. Geplant ist für heute, wenige Höhenmeter hinter uns zu bringen und im Anschluss ausgewiesene S1/S2 Trails zu fahren.
Das klappt insgesamt gut, doch leider müssen wir auch heute eine kürzere Etappe das Fahrrad auf dem Rücken tragen, auch wenn das nach den Strapazen der letzten Tage dem einen oder anderen als angenehm vorkommen mag.
Die Abfahrt ist wie gewohnt flüssig, zum Teil etwas technisch, aber vom Ausgangspunkt bis zur Pension durchgehend fahrbar ohne weitere größere Anstiege.
An der Pension angekommen verbleibt das Resümee der diesjährigen Tour, das wir gemeinsam auf der Terrasse der Pension bei einem Bier und später ausgiebig in einem Restaurant beim letzten gemeinsamen Abendessen ziehen: Schön war es. Aber auch grenzwertig. Schlüssel für das Funktionieren des Teams ist Kommunikation und die Verständigung auf ein paar wenige Grundregeln, an die wir uns alle halten müssen.
Nach der Tour ist vor der Tour, und ich hoffe, dass das nächste Jahr eines von vielen weiteren sein wird, in denen diese außergewöhnliche Gruppe zusammenkommt und gemeinsam die letzte Abfahrt einer erfolgreichen MTB-Tour bei einem Glas Wein feiert. Denn schön soll es bleiben.